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Fluglärm

Die Problematik des Fluglärms beschäftigt den Schwarzwald-Baar-Kreis und seine Bürgerschaft nun schon seit mehreren Jahrzehnten. Inhalt dieser ist der Streit darüber, welchen Teil der durch den Flughafen Zürich verursachten Flugverkehrsbelastungen Deutschland, genauer gesagt die südbadische Region, zu tragen hat. Der Flughafen Zürich ist ein wichtiges internationales Luftfahrt-Drehkreuz (aktuell ca. 29 Mio. Passagiere pro Jahr). Er ist nur etwa 15 Kilometer von der süddeutschen Grenze entfernt. Der Schwarzwald-Baar-Kreis und auch die Landkreise Lörrach, Waldshut, Konstanz sind somit unmittelbar von den durch die An- und Abflüge verursachten Lärm- und Umweltbelastungen betroffen. Durch eine steigende Flugverkehrsbelastung ist insbesondere auch der Tourismus, der im Südschwarzwald eine wichtige Bedeutung hat, gefährdet. Die Tatsache, dass ein Großteil der Anflüge auf den Flughafen von Norden aus erfolgt, verstößt gegen den völkerrechtlichen Grundsatz, dass jedes Land die Lasten seiner eigenen Einrichtungen grundsätzlich selbst zu tragen hat. Die daraus resultierende unverhältnismäßig große Flugverkehrsbelastung ist für den Schwarzwald-Baar-Kreis nicht zu akzeptieren.

 

Staatsverträge / 220. DVO / Stuttgarter Erklärung

In der Vergangenheit gab es zwischen Deutschland und der Schweiz immer wieder Versuche und Verhandlungen, den Streit durch einvernehmliche bilaterale Regelungen zu befrieden. Allerdings sind die aus diesen Verhandlungen hervorgegangenen Staatsverträge gescheitert bzw. nicht in Kraft getreten (2001 und 2012).

Aktuell werden die über deutsches Hoheitsgebiet erfolgenden An-und Abflüge auf den Flughafen Zürich durch eine einseitige Verordnung, der sog. 220. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung (220. DVO), geregelt. Die im Jahr 2005 in Kraft getretene Verordnung garantiert einen gewissen Mindestschutz, indem sie für die An- und Abflüge bestimmte Verfahren, Mindesthöhen und Sperrzeiten festlegt. Die schweizerische Seite sah in der Verordnung eine Verletzung Völker- und Europarechts. Die Verordnung hielt jedoch sämtlichen gerichtlichen Überprüfungen auf deutscher und europäischer Ebene stand. Aus Sicht des Schwarzwald-Baar-Kreises und der weiteren betroffenen Landkreise und Kommunen ist dieser durch die DVO gewährleistete Mindestschutz jedoch noch nicht ausreichend. In der sog. Stuttgarter Erklärung (2009) haben sich die politisch Verantwortlichen der betroffenen Region deswegen dazu geäußert, in welchen Grenzen sie bereit sind, die Belastungen durch den Flughafen Zürich zu tragen. Die darin aufgestellten Forderungen, wie z. B. eine zahlenmäßige Beschränkung der Anflüge und die Aufhebung des sog. Warteraums und Navigationspunkts „RILAX“, gelten bis heute unverändert fort.

Betriebsreglement 2014

Die Flughafen Zürich AG forciert in den letzten Jahren eine weitere Kapazitätssteigerung des Flughafens. Dazu sind infrastrukturelle und betriebliche Änderungen erforderlich. So beantragte die AG im Jahr 2013 beim schweizerischen Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) eine Änderung des Betriebsreglements des Flughafens (sog. BR 2014). Es beinhaltet insbesondere auch eine Änderung der Flugrouten (sog. Entflechtung des Ostkonzepts). Diese Änderung würde in der süddeutschen Region zu einer Mehrbelastung von bis zu 10.000 Flugbewegungen im Jahr führen und hätte eine signifikante Erhöhung der Lärmbelastung gerade während der Schutzzeiten der 220. DVO zur Folge. Zu diesem Ergebnis kam ein vom Schwarzwald-Baar-Kreis und den Landkreisen Waldshut und Konstanz mit Unterstützung des Landes Baden-Württemberg bei der Gesellschaft für Luftverkehrsforschung (GfL) in Auftrag gegebenes Gutachten. Es zeigt ferner auch Alternativen zu dem beantragten Konzept auf.  Da für die vollständige Umsetzung des BR 2014 über Deutschland neue Anflugwege eingerichtet werden müssten, ist jedoch eine Anpassung der 220. DVO durch das deutsche Bundesamt für Flugsicherung (BAF) erforderlich. Voraussetzung hierfür ist wiederum die Zustimmung des Bundesverkehrsministers. Eine solche Zustimmung bzw. die Anpassung der DVO und die dementsprechende Genehmigung des BR 2014 sind bislang insbesondere aufgrund des vehementen gemeinsamen Widerstands der Landesregierung, der Landkreise und Kommunen sowie der Bürgerinitiativen, aber auch der politischen Unterstützung der Mandatsträgerinnen und –träger der Region nicht erfolgt.

Erfolgt ist jedoch im Mai 2018 die sog. Teilgenehmigung des BR 2014. Darin wurden Änderungen des Betriebsreglements festgelegt, die unabhängig von einer deutschen Zustimmung realisiert werden können, da deutscher Luftraum nicht unmittelbar in Anspruch genommen wird. Da jedoch auch mit der Realisierung der Teilgenehmigung eine Lärmmehrbelastung der südbadischen Region einhergeht, hat der Schwarzwald-Baar-Kreis gemeinsam mit den Landkreisen Waldshut und Konstanz und der Gemeinde Hohentengen a. H. gegen die Teilgenehmigung Verwaltungsbeschwerde an das Schweizer Bundesverwaltungsgericht erhoben.

Mit Urteil vom 7. September 2021 hat das Schweizer Bundesverwaltungsgericht (St. Gallen) den Beschwerden der klagenden Landkreise sowie der Gemeinde Hohentengen a. H. gegen die Teilgenehmigung des BR 2014 stattgegeben und die Genehmigung in weiten Teilen aufgehoben. Das Gericht stützte sein Urteil unter anderem darauf, dass die Lärmbelastung zwischen 22.00 und 23.30 Uhr im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) nicht korrekt bzw. gar nicht ausgewiesen wird oder auf veralteten Annahmen zur sog. Verspätungssituation beruht. Der SIL ist Grundlage für das Betriebsreglement sowie für die An- und Abflugrouten. Der festgestellte Mangel hat nach Auffassung des Gerichts zur Folge, dass die vom Lärm betroffenen Gebiete nicht korrekt abgebildet werden. Das Gericht hat daher die Festlegung der zulässigen Lärmimmissionen und der gewährten Erleichterungen aufgehoben.

Streitlösung

Der Schwarzwald-Baar-Kreis und die weiteren betroffenen Landkreise und Kommunen sind nach wie vor bereit, den Streit auch im Hinblick auf die ansonsten sehr guten grenzüberschreitenden Beziehungen zu den Nachbarkantonen in der Schweiz dauerhaft zu befrieden. Die bisherigen Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass die Auseinandersetzung in Verhandlungen auf Bundesebene zwischen den beiden Staaten nicht gelöst werden kann. Eine Lösung des „Fluglärmstreits“ kann somit nur über einen „Bottom-up-Ansatz“ gelingen, bei dem die betroffenen Regionen beider Länder mit den kommunalen Vertretern und den Vertretern der Bürgerinitiativen gleichberechtigt zusammen mit Bund, Land und Kantonen am Verhandlungstisch sitzen. Der Prozess sollte dabei von zwei unabhängigen Persönlichkeiten aus der Schweiz und Deutschland moderiert werden.

Chronologie des Fluglärmstreits

Stellungnahmen des Schwarzwald-Baar-Kreises

Wichtige Dokumente